Diese Fragen zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung geben erste Anhaltspunkte die bei der Durchführung zu beachten sind.
Fragen zu den gesetzlichen Vorgaben
Was ist laut § 5, ArbSchG die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung?
Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen zielt darauf, Gefährdungsfaktoren am Arbeitsplatz, die einen Einfluss auf die psychische und physische Gesundheit haben, frühzeitig zu erkennen und diesen entgegenzuwirken.
Gemäß der GDA Richtlinie sind bei der Ermittlung 5 Merkmalsbereiche, die wiederum in 22 Einzelmerkmale gegliedert sind, zu berücksichtigen:
– Arbeitsinhalt / Arbeitsaufgabe
– Arbeitsorganisation
– Soziale Beziehungen
– Arbeitsumgebung
– Neue Arbeitsformen
Woraus genau ergibt sich die Verpflichtung für die Arbeitgeber, eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung durchzuführen?
Seit 2013 sind Unternehmen laut ArbSchG gesetzlich verpflichtet, die psychischen Belastungen in ihrer Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen.
Was passiert, wenn Arbeitgeber die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung unzureichend oder überhaupt nicht durchgeführt haben? Wer überprüft die Durchführung?
Die Durchführung wird von den Gewerbeaufsichtsämtern überprüft.
Wenn unzureichend durchgeführt, wird das Ergebnis besprochen und der Arbeitgeber ergebnisbezogen beraten. Es wird eine angemessene Nachfrist gesetzt zum Nachbessern und diese wird nachverfolgt.
Wenn nicht durchgeführt, wird ebenfalls das Ergebnis besprochen, es erfolgt eine Beratung seitens des Arbeitgebers zum weiteren Vorgehen. Eine Nachfrist wird gesetzt zur Durchführung und schriftlichen Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung (GBpsych) und Nachverfolgung.
Wann ist eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung durchzuführen und wann muss sie aktualisiert werden?
Hierfür gibt es keine zeitlichen Vorgaben in jedem Fall, sobald eine Veränderung im Unternehmen eintritt. Z. B. das Arbeitsbereiche verändert werden, oder es einen Vorgesetztenwechsel gibt.
Hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Planung und Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen? Was muss berücksichtigt werden?
Der Betriebsrat hat entsprechend § 87 1 Nr. 7 BetrVG volles Mitbestimmungsrecht bei der Durchführung. Und muss daher bei jedem einzelnen Schritt mitbestimmen. Dies setzt nicht voraus, dass bereits eine Gesundheitsgefahr besteht. Er hat nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht der Mitbestimmung. Betriebsräte können mit den Arbeitgebern keinen Verzicht der GBPsych vereinbaren.
Was ist im Zusammenhang mit der Entwicklung von Verbesserungsmaßnahmen unter den STOP-Prinzip zu verstehen?
Es dient der
-Vermeidung von Risiken
-Gefahrenbekämpfung an der Quelle
-Erfüllung der Forderung, dass Maßnahmen des kollektiven Gefahrenschutzes Vorrang vor denen des individuellen Gefahrenschutzes haben
Das heißt im Einzelnen:
S = Arbeitsverfahren so gestalten, dass keine Gefährdung vorhanden ist, Gefahrenquellen beseitigen
T = Gefährdungen ausschalten oder mindern durch Anwendung von Schutzeinrichtungen, vorzugsweise mit zwangsläufiger Wirkung
O = Gesundheitsrisiko minimieren durch Herabsetzung von Intensität bzw. Dauer der Exposition mittels technischer oder arbeitsorganisatorischer Maßnahmen
P = Persönliche Schutzeinrichtungen oder Verhaltensregeln anwenden.
Fragen zu den Begriffen
Was versteht man unter dem Begriff „Psychische Gesundheit“?
Laut WHO ist Gesundheit ein „Zustand vollständigen physischen, geistigen und sozialen Wohlbefindens“.
Was versteht man unter dem Begriff „Psychische Belastung“?
Sind alle psychischen Einflüsse, die von außen auf Menschen einwirken.
Was versteht man unter dem Begriff „Psychische Beanspruchung?
Sind die unmittelbaren kurzfristigen Auswirkungen von psychischer Belastung auf den Menschen (in Abhängigkeit der eigenen Resilienz).
Wie werden im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung die Begriffe „Gefährdungen“ und „Gefahr“ voneinander abgegrenzt?
Unter „Gefahr“ ist eine Sachlage zu verstehen, die bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartendem Geschehen zu einem Schaden führt. Eine „Gefährdung“ bezeichnet im Unterschied zur Gefahr, die Möglichkeit eines Schadens oder einer gesundheitlichen Beeinträchtigung ohne bestimmte Anforderungen an ihr Ausmaß oder ihre Eintrittswahrscheinlichkeit.
Was ist unter dem Begriff „Menschenwürdige Arbeit“ zu verstehen?
Verhältnis-Prävention setzt bei den Verhältnissen im Unternehmen an. Sprich, alles was Eine Tätigkeit gilt als menschenwürdig, wenn sie die physische und psychische Gesundheit nicht beeinträchtigt, das Wohlbefinden sowie die Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt, der Qualifikation der Beschäftigten entspricht und die Entfaltung der individuellen Potenziale und Kompetenzen erlaubt (Gesellschaft für Arbeitswissenschaft, 1999)
Wie wird der Begriff Arbeitsplatz-Kategorien („Zusammenfassung gleichartiger Arbeitsplätze“) definiert?
Hier werden die Arbeitsplätze zusammengefasst, die ähnliche Arbeitsbedingungen und Arbeitsinhalte aufweisen, z. B. Mitarbeiter im Lager.
Wie unterscheiden sich „Verhältnis-Prävention“ und „Verhaltens-Prävention“ voneinander? Was verbirgt sich hinter diesen beiden Begriffen?
Verhältnis-Prävention setzt bei den Verhältnissen im Unternehmen an, d. h. alles was mit den Arbeitsbedingungen zusammen hängt.
Verhaltens-Prävention setzt beim Verhalten der Mitarbeitenden an und betrifft das Verhalten des Einzelnen.
Fragen zu den Auswirkungen auf die Arbeitswelt
Warum und wie kann das Verhalten einer Führungskraft die Verhältnisse beeinflussen, in denen Mitarbeiter arbeiten?
Führungskräfte haben eine Vorbild-, Vorreiter-, Initiator- und Unterstützer Rolle in Sachen Gesundheit. Ihr Verhalten beeinflusst die Verhältnisse, in denen der Mitarbeiter*innen arbeiten, unmittelbar (positiv und negativ) und damit das Ausmaß der psychischen Belastung.
Welche Entwicklungen sind einige Hauptursachen für die Zunahme psychischer Gefährdungen in der Arbeitswelt?
Digitalisierung der Arbeitswelt, Verdichtung der Arbeit und der demografischen Wandel sind Hauptursachen für die Zunahme der psychischen Belastung.
Was sind die wichtigsten Quellen für Stress im Berufsleben?
Arbeitsverdichtung: Durch Personalabbau nimmt dieser zu, die Fehlzeiten steigen und es kommt vielerorts zu Mehrarbeit. Entgrenzung: Privat und Beruf verschwimmen immer mehr. Ständige Erreichbarkeit über Smartphone und Emails aufs Handy tragen dazu bei. Digitalisierung: Mehr Zeitdruck durch schnellere Verfügbarkeit, Zunahme von Störungen und Unterbrechungen.
Welche Argumente könnten gegen die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung sprechen?
Dafür ist unser Unternehmen zu klein
Jedes Unternehmen ab einem Mitarbeitenden ist gesetzlich verpflichtet.
Brauchen wir nicht, unseren Mitarbeitern geht es gut
Die ist oftmals eine subjektive Einschätzung bei der GBPsych wird tiefer geforscht, um Gefährdungen aufzudecken. Beispielsweise werden im Merkmalsbereich Arbeitsorganisation auch Arbeitsabläufe untersucht und – sollten Belastungen auftreten – verändert und optimiert.
Ebenso kann der Merkmalsbereich soziale Beziehungen auch Probleme innerhalb eines Teams offenbaren, der durch entsprechende Maßnahmen entschärft oder gar löst werden kann.
Psychische Gefährdungen kann man doch gar nicht messen
Mit Hilfe von validierten Fragebögen oder auch durch Workshops können psychische Gefährdungen systematisch erfasst und davon ausgehend Maßnahmen abgeleitet werden. Nach einiger Zeit ist eine erneute Befragung oder Workshop zur Überprüfung möglicher Verbesserungen notwendig.
Wir warten erst einmal ab…
Es könnte sein, dass eine Überprüfung des Gewerbeaufsichtsamts durchgeführt wird. Sollte keine psychische Gefährdungsbeurteilung vorliegen, muss diese umgehend erfolgen. Eine Nachprüfung wird terminiert. Es drohen bei Nichtbefolgen Geldbußen.
Welche Vorteile hat die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung über die gesetzliche Vorgabe hinaus?
Die Arbeitgeberattraktivität und das -image wird gestärkt. Gesunde Mitarbeiter*innen = gesunde Unternehmen. Die Ziele der Gefährdungsbeurteilung führen sowohl auf AG Seite als auch auf AN Seite zu klassischen „Win-Win“ Situation:
Ziele der psychischen Gefährdungsbeurteilung
Arbeitszufriedenheit
Leistungsfähigkeit und Motivation
Respekt- und achtungsvoller Umgang
Verbesserung von Arbeits-Abläufen und Effektivität
Erschließung und Förderung von Potenzialen und Ressourcen
Verbesserung der Führungskompetenzen
Gesunde Führung
Unterstützung
Führt zur Win-Win Situation für
Arbeitnehmern durch
– Lebensqualität
– Kostensenkung
– Körperliches Wohlbefinden
– Handlungsfähigkeit
– Unterstützung
– Innovationsfähigkeit
– Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Unternehmen durch
– Steigerung der Produktivität
– Kundenzufriedenheit
– Wettbewerbsfähigkeit
– Qualität
Fragen zum Prozess der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung
Was sind die Prozess-Stufen einer Gefährdungsbeurteilung psychische Belastung?
1. Festlegen von Tätigkeiten/Bereichen, für die die Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden soll.
2. Ermittlung der psychischen Belastung der Arbeit.
3. Beurteilung der psychischen Belastung.
4. Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen (falls erforderlich).
5. Kontrolle der Wirksamkeit der umgesetzten Maßnahmen.
6. Aktualisierung/Fortschreibung der der Gefährdungsbeurteilung im Falle geänderter Gegebenheiten.
7. Dokumentation
Von welchen Grundvoraussetzungen ist der Erfolg einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung abhängig? Was muss vor allen Dingen getan werden, um den Erfolg einer Gefährdungsbeurteilung sicherstellen zu können?
– Umfassende Information aller beteiligten Akteure, Einbindung des Betriebsrats, sowie der Mitarbeiter*innen
– Einbindung der vorhandenen Strukturen (z. B. das Betriebliche Gesundheitsmanagement)
– Festlegung gleichartiger Arbeitsplätze und Tätigkeiten (bei gleichartigen Arbeitsbedingungen genügt die Beurteilung eines Arbeitsplatzes)
– Erfassung der Belastungen (mittels Fragebogen, Beobachtungsinterviews oder Workshop)
– Bewertung der Belastungen (Durchführung idealerweise von externen darauf spezialisierten Unternehmen)
– Maßnahmen und deren Umsetzung (Erarbeitung in Kleingruppen von 10 bis 12 Teilnehmern, Moderation durch Abteilungsleiter oder externen Beratern.
– Kontrolle und Wirksamkeit (Wiederholung des ursprünglichen Verfahrens, um abzufragen, welche Maßnahmen hilfreich oder nicht waren.
– Dokumentation (die festgelegten Maßnahmen und deren Umsetzung müssen schriftlich dokumentiert werden, um es bei Prüfungen des zuständigen Gewerbeaufsichtsamtes vorlegen zu können).
– Beteiligung des Betriebsrates (hat laut BetrVG Mitbestimmungsrecht bei der Durchführung der GBPsych
Was sind die größten Stolpersteine bei der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung?
1. Den Prozess nicht gut planen und aufsetzen
2. Mangelnde Einbindung von Personen
3. Ohne Erhebungsplan fehlen am Ende die Ergebnisse
4. Die falsche Auswahl und Anwendung von Verfahren
5. Ungenügende Informations- und Kommunikationsarbeit
6. Unsystematische Ermittlung und Beurteilung
7. Mangelnde Beteiligung von Führungskräften und Mitarbeitern
8. Fehlende oder unzureichende Festlegung von Maßnahmen
9. Fehlende Dokumentation und Nachverfolgung
10. Fehlende Wirksamkeitskontrolle
Welches sind die wichtigsten Maßnahmen bei der Planung und Vorbereitung einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung?
Die wichtigsten Maßnahmen sind in jedem Fall die Einbeziehung der vorhandenen Strukturen (z. B. BGM), der Beteiligten in den Prozess. Die Erfassung der gleichartigen Arbeitsplätze und Zuordnung in Arbeitsplatzkategorien, die umfassende Information vor Durchführung der Gefährdungsbeurteilung und während des Prozesses.
Was ist darüber hinaus zu berücksichtigen?
Die Arbeitsplätze sollten ähnliche Arbeitsbedingungen haben. Z. B. Schichtarbeiter im Produktionsbetrieb haben andere Arbeitsbedingungen als jene die nicht im Schichtbetrieb, aber in der Produktion arbeiten.
Weiterhin sollten zwei absolut vergleichbare Arbeitsplatz-Kategorien, allerdings geführt durch zwei unterschiedliche Führungskräfte, als zwei Arbeitsplatz-Kategorien definiert werden, da Führungskräfte einen entscheidenden Einfluss auf die Arbeitsbedingungen ihrer Mitarbeiter*innen haben.
Ebenso sind beispielsweise Vertriebsmitarbeiter*innen, die vorwiegend im Home-Office arbeiten zu unterscheiden von denen, die im Unternehmen tätig sind.
Wie viele Arbeitsplätze einer Kategorie müssen mindestens intensiver analysiert werden, um genügend Aussagekraft über mögliche psychische Gefährdungen sicherzustellen?
Das ArbSchG bestimmt, dass Gefährdungsbeurteilungen ,,je nach Art und Tätigkeiten“ durchgeführt werden sollen. Bei „gleichartigen Arbeitsbedingungen“ ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend, die stellvertretend für eine Gruppe von sich nicht wesentlich unterscheidenden Arbeitsplätzen (Arbeitsplatz-Kategorien) stehen.
Was sind Beispielsweise Einzel-Merkmale des Merkmalsbereiche?
Arbeitsinhalt/-aufgabe beinhaltet folgende Einzelmerkmale:
Vollständigkeit der Aufgabe
Handlungsspielraum
Abwechslungsreichtum/Variabilität
Informationsangebot
Verantwortung
Qualifikation
Emotionale Inanspruchnahme
Arbeitsorganisation
Arbeitszeit
Arbeitsablauf
Soziale Beziehungen
Kollegen und Kolleginnen
Vorgesetzte
Welche Analyseverfahren zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung sind nach der DIN-EN ISO 10075 anerkannt bzw. empfohlen?
Die Norm nennt drei Präzisionsstufen für Bewertungsverfahren:
Orientierende Verfahren -> Vorabbewertung z. b. durch den Steuerungskreis, Auswertung von vorhandenen Daten wie Fehlzeiten Fluktuation, etc. und schriftliche Mitarbeiterbefragung (grob gerastert)
Screening-Verfahren -> Schriftliche Mitarbeiterbefragung (feinere mehrstufige Skalierung)
Experten-Verfahren -> strukturierte Mitarbeiter-Beobachtung/-interview und Analyse-Workshop
Was sind strukturierte Mitarbeiter-Interviews, was sind die Stärken dieses Instrumentariums, die zu erfüllenden Voraussetzung und die Grenzen?
Es dient der
-Vermeidung von Risiken
-Gefahrenbekämpfung an der Quelle
-Erfüllung der Forderung, dass Maßnahmen des kollektiven Gefahrenschutzes Vorrang vor denen des individuellen Gefahrenschutzes haben
Fachkundig geschulte Personen beurteilen die psychische Belastung auf Basis von Beobachtungen der Tätigkeit ergänzt um strukturierte Interviews mit den dort Beschäftigten. -> Die Methode ist nur geeignet für Arbeitsplätze, an denen sich die Bedingungen stark gleichen. Der Vorteil ist, dass die psychischen Belastungen unabhängig vom Erleben des Beschäftigten erfasst werden. Es ermöglicht, je nach Verfahren eine feinkörnige Beschreibung der Belastungssituation sowie eine Objektivierung der Analyseergebnisse.
Das Verfahren ist vergleichsweise zeitlich sehr aufwändig, wenn viele Arbeitsplatz-Kategorien betrachtet werden müssen. Eine Schulung der Beobachter und ggfs. sind weitere Feinanalysen zur Maßnahmenplanung notwendig.