Präsentismus: Drei Viertel der Berufstätigen gehen krank zur Arbeit

Präsentismus und Absentismus – Warum Arbeiten trotz Krankheit zur Belastung wird

Arbeiten trotz Krankheit – eine stille Belastung in deutschen Unternehmen

In deutschen Unternehmen sind krankheitsbedingte Fehlzeiten (Absentismus) ein bekanntes Thema. Weniger im Fokus steht hingegen der sogenannte Präsentismus – also das Arbeiten trotz Krankheit. Dabei betrifft dieses Phänomen mehr als die Hälfte der abhängig Beschäftigten in Deutschland und birgt erhebliche Risiken: gesundheitlich für die Betroffenen, wirtschaftlich für die Betriebe.

Was ist Präsentismus – und warum ist er problematisch?

Präsentismus bezeichnet das Verhalten, trotz Krankheit zur Arbeit zu gehen. Anders als Absentismus, also das krankheitsbedingte Fernbleiben vom Arbeitsplatz, ist Präsentismus weniger sichtbar – aber nicht weniger folgenreich. Wer krank arbeitet, riskiert langfristige gesundheitliche Schäden, macht mehr Fehler, gefährdet die Kolleg*innen – und erhöht letztlich die Wahrscheinlichkeit für künftige Fehlzeiten und Produktionsausfälle.

BAuA-Studie zeigt: Jede(r) Zweite arbeitet krank

Laut der BAuA-Arbeitszeitbefragung 2023 haben 54 % der Befragten angegeben, im letzten Jahr mindestens einmal krank gearbeitet zu haben. Besonders betroffen sind Frauen (60 %) und jüngere Beschäftigte (64 % in der Altersgruppe 18–29 Jahre). Auch bestimmte Berufsgruppen stechen hervor: In personenbezogenen Dienstleistungsberufen – etwa in der Pflege oder im Lehramt – liegen die durchschnittlichen Präsentismustage bei neun Tagen im Jahr.

Was beeinflusst Präsentismus?

Die Entscheidung, krank zur Arbeit zu gehen, hängt von vielen Faktoren ab:

  • Arbeitsintensität und Zeitdruck:

    Beschäftigte mit hohem Termin- oder Leistungsdruck neigen stärker zu Präsentismus.

  • Flexibilität und Führung

    Wer wenig Autonomie in der Arbeitszeitgestaltung hat oder geringe Unterstützung durch Vorgesetzte erfährt, zeigt häufiger Präsentismus.

  • Arbeitsumfeld:

    Eine unterstützende Unternehmenskultur kann das Risiko senken, krank zur Arbeit zu kommen.

  • Homeoffice:

    Beschäftigte, die regelmäßig im Homeoffice arbeiten, berichten häufiger von Präsentismus. Die Schwelle, sich krank zu melden, ist in virtuellen Arbeitsumgebungen offenbar niedriger.

Die Studie AIA Vitality Healthiest workplace ergab, dass die durchschnittliche Ausfallzeit pro Mitarbeitenden pro Jahr aufgrund von Abwesenheit und Präsentismus fast 71 Tage (2 bis 3 Monate Ausfallzeit) beträgt.

Laut der repräsentativen Studie der Pronova BKK  „Arbeiten 2022“ der Pronova BKK zeigt sich, dass Mitarbeitende trotz Krankheit ins Büro kommen:

Erkrankung Arbeiten im Unternehmen Arbeiten von Zuhause aus
Rückenschmerzen 48 %
Allergien 38 %
Psychische/psychosomatische Beschwerden 33 %
Negativ-Corona-Test aber anderer ansteckender Infekt 20 %
Positiver Corona-Test 9 % 17%
Leichte Erkrankungen 34 % 18 %
Quelle: Pronova BKK „Arbeiten 2022“

Was sind die Gründe dafür?

Dr. Gerd Herold, Beratungsarzt bei der Pronova BKK, sagt, dass viele Mitarbeiter:innen besorgt sind, als faul zu gelten oder ihren Kolleginnen und Kollegen die Vertretung zuzumuten.

Die häufigsten Gründe für Präsentismus sind:

1. Entlastung der Kolleginnen und Kollegen,

2. Arbeit soll nicht liegen bleiben (Vermeintliche) Unentbehrlichkeit,

3. Angst vor dem Arbeitsplatz,

4. Krankheiten werden nicht Ernst genommen.

Trotz der Erfahrungen mit dem Infektionsschutz während der Corona-Pandemie hat sich die Gewohnheit vieler Beschäftigter, am Arbeitsplatz präsent zu sein, nicht geändert. Wer sich jedoch nicht ausreichend auskuriert, riskiert, dass Viruserkrankungen andere Organe angreifen oder sich durch Medikamente verschlimmern. Zudem können Mitarbeiter:innen angesteckt werden.

Quelle: https://www.vecteezy.com/free-photos“>Free Stock photos by Vecteezy

Wie kann hier entgegengewirkt werden?

In erster Linie geht es darum, die Mitarbeiter:innen für das Thema Gesundheit zu sensibilisieren und ein Bewusstsein zu schaffen für die eigene Gesundheit. Eine Unternehmen, welches das Thema Gesundheit in den Mittelpunkt rückt und den Faktor „Mensch“ als wichtiges Kapital ansieht, wird auch in Zukunft erfolgreich am Markt bestehen, neue Fachkräfte gewinnen und halten können. Wie können sie einsteigen? Startpunkt für die Ausrichtung auf ein gesundes Unternehmen könnte z. B. die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung sein.

Folgende Handlungsfelder werden hier untersucht:

  1. Arbeitsinhalt/-aufgabe betrifft die emotionalen Anforderungen z. B. durch Über- oder Unterforderung, Rollenkonflikte)
  2. Arbeitsorganisation Arbeitsmenge, wechselnde Arbeitszeiten, unproduktiver Arbeitsablauf.
  3. Soziale Beziehungen Führungsverhalten, Wertschätzung, Gemeinschaftsgefühl.
  4. Arbeitsumgebung Lärm, Klima, räumliche Enge, unzureichende Arbeitsmittel.
  5. Neue Arbeitsformen Vermischung von Arbeits- und Berufsleben, Digitalisierungsängste.

Das Thema Gesundheit wird mit diesem Verfahren in den Mittelpunkt der gesamten Belegschaft gerückt. Dabei ist zu beachten, dass es um die Bewertung des Arbeitsplatzes geht und nicht um die Befindlichkeiten der einzelnen Mitarbeiter:innen.

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner